Interview mit Karin Fisslthaler

Wann hast du das erste Mal Musik bewusst wahrgenommen und was hat es bei dir ausgelöst?

Das ist immer ein bisschen peinlich, wenn man das erzählt. Aber es ist halt die Wahrheit, dass man dann schon als Kind mit Bravo und Kuschelrock-CDs sozialisiert wird - über die Schwester. Ich glaub, so hab ich das erste Mal Musik wahrgenommen. Das lustige ist, wir haben das gleich verbunden mit Playback-Partys, wo wir irgendwas als Mikro verwendet haben und dazu gesungen haben. Also es war interessanterweise auch gleich wieder mit der Repräsentation verbunden. Da hab ich das erste Mal Musik wahrgenommen. Das waren halt so 80er Jahre Hits. Micheal Jackson und das Zeug, das es halt Anfang der 80er Jahre so gegeben hat. Das war das Erste, an das ich mich bewusst erinnern kann. Da gibts sicher vorher noch die Schlümpfe oder so. (lacht) Aber eben mit fünf, sechs Jahren war das dann das erste Mal durch die Schwester.

Wie bist du dann aktiv zur Musik gekommen? Wann hattest du die erste Berührung mit einem Instrument?

Da war ich so zwölf, da hab ich mir das Gitarrespielen selbst beigebracht. Ganz simple Akkorde und auch die ersten Songs hab ich da geschrieben bzw. probiert. Mit Gitarre hab ich da definitiv angefangen und dazu schon ein bisschen gesungen. Dann mit 16 war es so, dass ich bei einem Workshop vom Rockhaus Salzburg dabei war. Das war so ein Bandprojekt bei einem Workshop, wo sie nur Frauen oder Mädchen gesucht haben, die sich innerhalb dieses Workshops zu einer Band formieren. Eh mit der klassischen Instrumentierung: Gitarre, Schlagzeug, Bass, Gesang. Das Format hat es schon lange Zeit gegeben, aber es war das erste Mal, dass sie es nur mit Frauen gemacht haben. Das war auch verbunden mit einer CD-Präsentation und einem Auftritt im Rockhaus in Salzburg - in der Local Heroes Schiene. Einen Proberaum hat man auch bekommen. Die Band hat es dann tatsächlich eine Weile gegegben. Das lustige ist, in der Band war auch die Ángela Tröndle, die jetzt ziemlich bekannt ist in so Jazz- und World Music-Kreisen. Bis ich 18 war hat es die Band jedenfalls gegeben und dann hat sie sich aufgelöst - also doch eigentlich recht lang, zwei Jahre.

Wie war das mit deinen Eltern. Haben sie dich zur Musik gebracht? Oder wollten sie gar nicht, dass du Musik spielst? Oder haben sie dich gar dazu gedrängt? Oder ist das einfach an ihnen vorbeigegangen?

Sie haben es nicht übermäßig unterstützt, aber auch nicht verhindert. Mein Vater ist ein sehr musikalischer Mensch. Er hat mich dann auch überredet im Oberstufenrealgymnasium in Salzburg nicht den naturwissenschaftlichen Zweig, sondern den musikalischen Zweig zu wählen. Von dem her, war das schon eine Unterstützung meiner Eltern in Richtung Musik. Die haben sich das aber natürlich ganz anders vorgestellt. Die Musik, die ich dann in der Band mit den anderen Mädchen gemacht hab und auch das was ich jetzt mach, ist definitv nicht das, was sich meine Eltern unter Musik vorstellen. Die haben schon sehr klassische Ansichten, was Musik ist und was nicht.

D.h. von dieser Seite ist keine Unterstützung gekommen, weil deine Eltern ganz andere Musik gehört haben?

Ja kann man so sagen. Es ist halt dann so, wenn man dann Konzerte hat und in der Öffentlichkeit steht und die Eltern merken, das kommt gut bei den andern an, ändert sich die Meinung oft ganz schnell. Aber sie haben es nicht aktiv gefördert und unterstützt - aber auch nicht verhindert.

Wie hast du zu deinem Instrument gefunden? Warum Gitarre und nicht Klavier oder Geige oder Schlagzeug?

Ich glaub, weil das etwas damit zu tun hat, welche Musik man zu der Zeit hört, wo man ein Instrument wählt. Man fängt an, Dinge nachzuspielen am Anfang. Wenn man halt Gitarrenmusik hört oder Singer/Songwriter Sachen... Zu der Zeit mit zwölf hab ich eben schon eher Gitarrenmusik gehört und nachgespielt. Das waren dann schon diese 90er Jahre Bands. Da hat’s auch schon angefangen mit Nirvana und solchen Dingen. Aber ich glaub, da spielt man am Anfang einfach Lieder nach und Gitarre ist im Gegensatz zum Schlagzeug billiger und einfacher. Das war wahrscheinlich einfach unmittelbarer.

Du hast mit der Akustikgitarre begonnen. Wann bist du dann zur elektrischen Gitarre übergegangen?

Zur elektrischen Gitarre bin ich dann durch dieses Mädchenprojekt mit 16 gekommen. Und da wollte ich die gleiche Gitarre haben, wie die Courtney Love, diese Fender Squier Venus. Die hab ich mir dann gekauft. (lacht)

Du hast dir Gitarre autodidaktisch beigebracht und auf dem Musikgymnasium hat es dann wahrscheinlich auch speziellen Unterricht gegeben, oder?

Ja, da hat es speziellen Unterricht gegeben, aber ich war wahnsinnig schlecht. Ich war ganz schlecht in Musiktheorie und Notenlesen. Das beherrsche ich eigentlich bis jetzt schlecht oder kaum - obwohl ich fünf Jahre Ausbildung darin hatte. Aber da war ich immer ganz schlecht.

Was war da der Grund? Vielleicht weil du gesagt hast, für die Rockmusik, die ich spielen will - so im Stil von Courtney Love -, da brauch ich das eh nicht? Oder war das eine Rebellion gegen die Hegemonie des Bildungsbürgermusiktums?

Nein. Das hatte definitiv damit zu tun, dass ich auch in Mathematik schlecht bin und einfach einen anderen Zugang zur Musik hab. Ich hab da keinen mathematischen sondern eher einen emotionalen. Ich mach eigentlich alles nach Gehör. Wenn ich einen Track produzier, da schau ich nicht auf Noten, sondern das geht alles nach Gehör, weil ich das Notenschreiben, diese Art des Komponierens nicht beherrsche. Es hat mich auch nie interessiert, mich da voll "reinzutigern" und das zu lernen.

Irgendwann bist aus dem Gymnasium raus. Hast du danach auch noch Stunden genommen oder hast du dann einfach deine eigene Entwicklung wieder gesucht?

Ich hab dann lange Zeit eigentlich mit Musik aufgehört. Wie ich dann auf die Kunstuni gekommen bin, hab ich zwischen 1999 und 2003 eigentlich gar nichts mit Musik gemacht. Ich hab auch nicht mehr geglaubt, dass ich zurückkomme. Da hab ich bildende Kunst für meinen Weg gewählt und bin dann eher durch Zufälle wieder zur Musik gekommen. Auch weil mich Leute dazu gedrängt haben, das wieder zu machen.

Ab wann hast du an Auftritte gedacht? Wann hast du das erste Mal das Gefühl gehabt, ich möchte auf einer Bühne stehen?

Das war dann schon sehr früh, als wir noch zur Musik getanzt haben und die Haarbürste als Mikro verwendet haben. Ich hab mich da definitv immer sehr wohl gefühlt.

D.h. die Bühne war kein Angstfaktor oder so etwas?

Das erste Mal, dass ich das Bild vor Augen hatte bzw. das es real wurde, dass man Konzerte spielen darf, das war im Zuge dieser Rockhaus Geschichte in Salzburg. Das war ja mit einem Konzert verbunden.

Bist du eher Band oder Solo Typ?

Ich bin schon ein Solo Typ, aber ich möchte das ändern, weil ich das schon fast zehn Jahre solo mach. Aber im Moment ist schon noch solo.

Wieso Solo? Warum hast du dir nach der Mädchenband und deinem Studium nicht wieder eine Band gesucht?

Der Grund, warum ich das alleine gemacht hab... das lag an der Auswahl der Instrumente, weil ich elektronische Musik machen wollt. Ich glaub, das kann man an dem festmachen. Elektronisch ist es auch schwerer zu improvisieren. Mit einer Gitarre, Akkorden, Schlagzeug ist es, glaub ich, einfacher ein Bandprojekt zu starten, als wenn man anfängt elektronische Musik zu machen. Das ist ja schon mehr Bastelei im Kämmerchen und viel Vorbereitung für jeden Einzelnen. Ich bin eher so der Basteltyp.

D.h. du bist auch die Komponistin und die Texterin deiner Stücke?

Ja.

Darf ich das noch weiterführen: Die Entscheidung das Solo zu machen, war schon auch aus Repräsentationsgründen zu dieser Zeit. Ich wollte schon diesen feministischen Ansatz markieren, dass ich das als Frau, als Musikerin allein mach. Wie ich angefangen hab, Musik zu machen, war ich sehr stark von Bands und Musikerinnen wie Le Tigre und Peaches beeinflusst; also von vielen dieser Berliner Soloprojekten, wo es schon auch wichtig war, dass man das allein macht und die Pilotin ist und nicht einfach Sängerin einer Band oder so.

Als Pilotin komponierst und textest du. Was ist da der Themengrund bei dir, also von wo bis wo ist so deine Themenlandschaft?

Das hat sich jetzt sicher stark verändert, da meine Bildenden Kunst -Interessen immer mehr in die Musik einfließen. Dadurch verändern sich auch die Texte. Das erste Album war sicher feministischer, politischer, direkter. Ich war zu der Zeit, mit 23, wo man anfangt Judith Butler zu lesen und so... das war dann schon eher durch feministische Theorien und Popkulturtheorien beeinflusst. Auch die Erfahrungen, die man als Musikerin macht, hab ich in den Texten reflektiert. Jetzt ist es so, dass es in den Texten viel mehr um Körperlichkeiten und verschiedene Aggregatzustände von Körperlichkeiten sowie Repräsenationsformen geht. Es ist alles komplexer auf einer komischen Metaebene... Es hat sich auf jeden Fall verändert. Es ist düsterer geworden. Je älter man wird, desto düsterer wird’s.

Wie hast du deinen eigenen Sound gefunden? Wie bist du da rangegangen? Vorbilder hast du schon genannt, aber wie weit bist du da gewandert? Oder hast du das einfach intuitiv aus deiner Erfahrung mit der Mädchenband usw. heraus entwickelt?

Die Mädchenband hat mit dem, was ich heute mache, gar nichts zu tun. Es verändert sich auch immer bei mir. Ich versuche schon, mich auch immer wieder zu erneuern und nicht stehen zu bleiben. Ich würde heute kein Album mehr machen, das klingt wie "OK Universe", auch wenn ich es mag. Mich interessiert das schon, am Sound weiterzuarbeiten und etwas Neues zu finden, weil es mich sonst nicht mehr interessiert. Der Sound ist auch stark durch bestimmte Instrumente, die mich interessieren, geprägt - durch bestimmte Synthesizer, durch einen bestimmten Klang von einem Instrument... Beim ersten Album "OK Universe" war es zum Beispiel wirklich dieser Roland SH-1000. Das ist so der erste Synthesizer, den Roland gebaut hat. Der ist noch sehr basic und hat aber definitiv das Album total beeinflusst. Beim letzten Album "Projection Screens" hab ich ganz viel Gitarre verwendet. Ich hab viele "Drones" daraus gebaut und auch das Roland Space Echo war an allen Ecken und Enden im Einsatz. Verschiedene Formen von Distortion waren auch noch sehr wichtig. Was mich gerade an Instrumenten interessiert, prägt den Sound schon sehr. Jetzt im Moment ist es so, dass ich etwas Bestimmtes entwickeln möchte, was eine "elegante Abgründigkeit" hat, also so dirty-elegant. Ich arbeite im Moment viel mit filmmusikalischen Mikropartikeln wie Streichersamples. Anderseits verwende ich auch viele Vocal-Cuts, die ich durch Granularsynthese in Mikropartikel zersetzen kann und die verwende ich dann. Diese Aufsplitterung von Stimme in Mikropartikeln ist dann schon auch Konzept. Es hat auch was mit Aufsplitterung von Identität zu tun. Es hat auch oft inhaltliche Gründe, warum ich bestimmte Instrumente wähle. Gitarre zu Drones zu verwandeln und sie so zu verwenden, dass sie klingt wie ein Synthesizer. Solche Sachen interessieren mich dann auch inhaltlich - vom Sound her sowie die dahinter stehende Transformationsgeschichte.

D.h. es verändert sich bei dir also mit dem künstlerischen, bildnerischen Prozess auch die Musik. Fragestellungen fließen ein und du versuchst auch soundmäßig einen Dialog herzustellen?

Ja, genau.

Kommen wir zu den Tonträgern. Sind nicht Eigenverlag, sie kommen bei einem Label raus. In diesem Fall bei einem Label, das von Frauenhand geschrieben wird. Wie oft spielst du so Live im Jahr?

Im Moment eher weniger, weil das immer auch mit dem Albumrelease zusammenhängt und das letzte Album ist ja doch schon 2011 erschienen. Dann sind halt definitiv weniger Konzerte bei mir.

Was war so die Spitze in einem Jahr?

Ich würde sagen, so 40-50.

War das alles selbst organisiert oder hat das Label das organisiert oder ein Management?

Also es war viel selbstorganisiert. Ich hab keine Bookingagenturen für meine Tourneen sondern hab das immer selbst organisiert. Ich kümmere mich im Moment aber wenig darum. Ich spiele derzeit nur, wenn ein interessantes Angebot reinkommt. Es müssen halt viele Rahmenbedingen passen und man wird auch immer wählerischer. Aber im Moment spiel ich so einmal im Monat.

Wie wirst du da behandelt als Frau? Hast du einen Bonus? Tust du dir schwer, weil sie dich nicht ernst nehmen? Oder spielst du von vornherein nur dort, wo schon mal der Einstieg passt?

Also ich hab definitiv auch schlechte Erfahrungen mit meiner Position als Musikerin gemacht. Vor allem in Orten, wo nicht so eine Sensibilität dafür herrscht. In quasi geschützteren Rahmen wie feministischen Festivals, da ist das natürlich alles kein Problem. Es wird dort natürlich thematisiert, aber es etwas anderes. Wenn man jetzt aber in irgendwelchen Rockhallen spielt und mit Tontechnikern zu tun hat, die eben vielleicht nicht so ein feministisches Verständnis bzw. eine gewisse Sensibilität haben, da hat es schon Probleme gegeben - besonders auch, weil ich allein bin. Ich komme zu Konzerten und bin alleine. Da ist mir früher schon manchmal vorgekommen, dass ich nicht ernst genommen wurde oder vermeintlich gut in meinem Equipment beraten wurde. Das ist teilweise sogar so weit gegangen, dass Tontechniker sich in die Reihenfolge der Songs einmischen wollten. Also so Besserwisser gibt es schon gerne, aber ich muss sagen, dass es mir inzwischen seltener passiert, dass ich mit unangenehmen Erlebnissen konfrontiert werde. Das hat auch was damit zu tun, dass ich da hinkomme und mir es egal ist, ob ich jetzt Mann oder Frau bin, sondern die Musik für mich im Vordergrund steht. Das versuch ich auch so zu repräsentieren, sodass das eigentlich selten Thema ist. ich versuche einfach so gut wie möglich, es selbst zu steuern, wie Leute mich wahrnehmen oder ernst nehmen.

Wie ist das mit dem Publikum? Beispiel: Junge Frau steht alleine auf der Bühne. Das ist für die Frauen super anziehend und spannend. Wie ist das für die männlichen Besucher? Irritiert sie, dass du keine Band hast? Oder bekommst das nicht mit? Kommen Leute mit Fragen auf dich zu?

Was genau, wer denkt und wie mich Leute genau wahrnehmen, das weiß ich nicht. Das weiß man nur, wenn man mit den Leuten spricht. Vom männlichen Publikum hat’s doch oft den Hinweis gegeben, ich soll mir doch einen Schlagzeuger suchen oder eine Band gründen. Die wollen mich da immer gerne beraten, mein Setup zu erweitern - vielleicht, weil sie selbst mit mir spielen wollen. (lacht) Das ist aber nicht, weil sie es schlecht finden, aber die denken halt, ich bräuchte eine Beratung. Ich fasse das natürlich immer so als Besserwisserding auf. Man kann das aber ganz schlecht verallgemeinern. Es hängt sicher auch ganz stark damit zusammen, welche Musik man spielt. Dadurch, dass meine Musik im Moment eher düster ist und nichts Liebliches hat, ist sie sicher schwerer angreifbar, als etwa zerbrechliche Singer/Songwriter Sachen. Ich glaub, ich bin durch meine Art von Musik, die eine gewisse Künstlichkeit ausdrückt und dadurch auch eine Distanz schafft, ziemlich unangreifbar.

Wenn man aus Konventionen ausbricht und in ein experimentelleres Feld geht, ist das natürlich auch eine Schutzschicht. Je experimenteller es wird, desto mehr muss sich das Publikum eigene Fragen stellen.

Ich glaub, es ist schon auch so, dass die Leute Cherry Sunkist als Performance wahrnehmen. Ich hab natürlich nichts gegen Bands. Ich hätte schon gern eine Erweiterung von Cherry Sunkist, von dem Sound. Aber nicht, weil ich Leute auf der Bühne haben möchte, sondern aus soundästhetischen Gründen. Ich kann mir gut vorstellen den Sound um Live-Instrumente zu erweitern, mit Leuten, die ihre Instrumente wirklich beherrschen. Das stell ich mir einfach super interessant vor. Da geht es mir einfach wirklich darum, den Sound Live zu erweitern. Es hat auch die Gründe, dass ich nicht mehr so gern allein fahre. Ich nehme mir jetzt oft einen Tontechniker mit oder wen, der die Videos macht. Aber mir wird es nach dieser langen Zeit einfach auch schon zu fad, da immer allein herum zu fahren.

Ist das nicht auf der Bühne auch so, dass das ein irrsinniger Stress ist. Du hast Gitarre, Effekte, einen Laptop, du singst dazu, du kommunizierst mit dem Publikum. Wie ist das?

Man versucht halt den Stress auf der Bühne so gering wie möglich zu halten. Es soll ja auch einfach aussehen. (lacht)

Kommt die Idee, den Sound zu erweitern, auch aus dem heraus, dass es für dich spannender wäre, weniger aktiv sein zu müssen und stärker in der Kommunikation sein zu können?

Ja, das hat schon auch diese Gründe, dass man auf die Performance und aufs Singen mehr Augenmerk legen könnte. Das bringt aber auch das Problem mit sich, dass das meine Kompositionen sind und meine Sounds sind. Das ist natürlich dann schwierig. Das ist ein bisschen ein Drahtseilakt, für was man sich entscheidet. Ist es mir jetzt wichtig, was repräsentiert wird oder ob es mir wichtig ist, dass es mit Live-Instrumenten anders klingt. Es ist halt eine Entscheidung, die man treffen muss, die aber schwierig ist. Ich glaub, wenn die Leute immer noch das Bild im Kopf haben, dass die Frau die Sängerin ist und die Jungs sind die Band, das ist dann schon ein Problem, das immer noch besteht. - Sonst hätte ich wahrscheinlich die Angst selbst nicht.

Du bist in Salzburg groß geworden und studierst aber in Linz und machst gerade deinen Ph.D. hier. Zugleich lebst du aber in Wien. Wieso bist du nach Linz studieren gegangen oder nach Wien?

Die Entscheidung für Linz war sicher die Klasse für experimentelle Gestaltung an der Uni Linz, die es in dieser Form nur da gab. Es gab nur die Klasse von Bernhard Leitner, die so ähnlich war und sonst nur das in Linz. Dadurch, dass ich in Salzburg aufgewachsen bin, war Linz einfach näher als Wien. Wien wollte ich definitiv nicht und nach Deutschland sowieso nicht. Linz hatte in den 90er Jahren schon einen coolen Ruf auch. Ich hab Linz nicht gekannt, aber man hat eigentlich nur gutes darüber gehört - vor allem von den jungen Leuten. Ich war dann, bevor ich mich beworben hab, einmal da und hab mir die Tabakwerke angeschaut. Das hatte schon so einen roughen Charme. Das hab ich schon anziehend gefunden. Vor allem weil ich aus Salzburg komm und dort alles so hochpoliert war, hat mir das schon gefallen.

Wie du nach Linz gekommen bist, hast du dich da schnell in die Kunst- und Musik-Szene einleben können? Hattest du das Gefühl, dass du da als Musikerin Unterstützung erfährst oder hey, das ist ein Wasteland. Da muss man von Null beginnen... Wie hast du das wahrgenommen?

Es war schon eine große Unterstützung da in Linz. Aber eine noch größere Unterstützung, ohne dem ich jetzt nicht da wäre, wo ich jetzt bin, hab ich vom feministisch, queeren Umfeld in Wien bekommen. Das ist super in unbekannte Leute aufzuspüren und sofort zu Konzerten nach Wien zu holen und einzuladen. Ich hab, glaub ich, zwei Konzerte gespielt und dann hab ich schon eine Anfrage aus Wien aus diesem Umfeld bekommen. Die sind da echt super und ohne das wäre da nicht so viel passiert. Aber in Linz war die Unterstützung auch schon toll. Ich hab da sofort als Unterstützung von Pansonic gespielt. Das passiert ja normalerweise nicht von heut auf morgen, aber in dem Fall war es fast so. Ich glaub schon, dass ich viel Unterstützung gekriegt hab, ja.

Wieso bist dann nach Wien gegangen? Eben wegen der Möglichkeiten aus diesem Umfeld oder ist die Linz zu fad geworden?

Das war so ein fließender Übergang. Durch die Musik hab ich dann schon mein Umfeld gehabt. - also etwa Christina Nemec und eben das ganze queer/feministische Umfeld eben. Auch das ganze Umfeld um BulBul-Fredl und auch die klingt.org-Leute aus dem experimentellen Feld... Das war einfach so ein fließender Übergang, als wäre ich schon immer dort gewesen. Es war jetzt nicht so, dass ich Linz schlecht gefunden habe. Ich hätte auch in Linz bleiben können, aber wenn man zehn Jahre wo ist... man muss irgendwann mal weg. Und es ist ja nicht weit.

Was sagst du aus deiner zehnjährigen Erfahrung heraus, fehlt was in der Linzer Musikszene?

Ich muss schon sagen, dass es in Linz wirklich wenige Frauen in der Musik und vor allem im elektronischen Bereich gibt. Ich werde auch immer wieder gefragt, ob ich wen aus Linz weiß, aber leider gibt es dann Wenige, die mir wirklich einfallen. Das ist sehr schade. Ich weiß nicht, woran das liegt. Es gibt halt keine Festivals wie das Rampenfieber-Festival oder diese Musikqueeren-Festivals, die gibt es ja nicht in Linz. Das Ladyfest hat es mal gegeben, aber das ist schon lang her. Ich glaube, da bräuchte es wirklich viel. Es gibt scheinbar derzeit niemanden, den das interessiert und der das macht, der die Frauen "reintheatert". Auch auf der Kunstuni gibt es zurzeit nicht so viele, die Musik machen. Mir kommt vor, es gibt gerade einen Backlash. Man muss aufpassen, dass man nicht denkt, es ist eh schon alles gut. Ich glaube, man muss da schon ziemlich weiter arbeiten. Es tut mir leid für Linz, dass es da so wenig Nachwuchs gibt. Woran das liegt, das weiß ich nicht.

Wo Musik gebucht und promotet wird von institutioneller Seite sitzen ja nur Männern an den Hebeln. In einigen Bereichen gab es (personelle) Veränderungen. Hast du irgendeine Veränderung bemerkt? Wie war es überhaupt vorher für dich? Hast du das Gefühl, dass diese Häuser an Frauen, die Musik machen, interessiert sind? Oder ist es in Linz immer gleich?

Ich glaube, in diesen großen Institutionen ist das extrem im Hintergrund, dass man sich da Gedanken über irgendeine Form von Quote gedanken macht. Ich glaube, dass der Posthof, ich unterstelle ihnen das einmal, dass die beim Booking da überhaupt nicht darauf achten, dass da ein Gleichgewicht herrscht. Das hat sicher damit zu tun, dass in diesen Bereichen kaum Frauen sitzen. Aber auch wenn Frauen dort sitzen, heißt das noch lange nicht, dass die dann sensibilisierter sind auf diese Problematik, die sie ja selber betrifft. Es gibt genauso Frauen, die dann auch nur Männerbands buchen. Ich persönlich mache das auch nicht am Geschlecht fest. Es gibt auch Männer, die ein feministisch, queeres Verständnis haben... Aber ich glaube, dass bei großen Institutionen die Priorität nicht auf der Quote liegt. Ich finde, dass es in Linz auch zu wenige Auftrittsmöglichkeiten gibt - vor allem Subkulturelle-Orte. Klar, es gibt das Brucknerhaus und den Posthof, aber da kommst ja als Linzer Musikerinn auch nicht so schnell rein. Es braucht halt viel mehr so kleine Strukturen, die schnell und unkompliziert funktionieren und schnelle Auftrittsmöglichkeiten bieten. Die kann man in Linz ja an drei Fingern abzählen. Da bräuchte es natürlich viel mehr. Auch von der politischen Seite bräuchte es da mehr Unterstützung, solche Räume zu schaffen. Es liegt halt leider wieder mal am Geld und dass so kleine Institutionen kaum unterstützt werden und alles in die Großen gepumpt wird. Das ist eine Kette. Wenn es die Strukturen gäbe, würde es wahrscheinlich auch mehr Musikerinnen geben. Alles, was irgendwie eine Hürde ist, ist immer schwierig. ich glaub, es liegt sicher auch an den Strukturen.

Da gibt es neue Gesichter in der Kulturlandschaft in Linz. Deshalb meine Frage. Es wäre interessant herauszufinden, ob die da jetzt lokale Labels anschreiben oder ob sich da was ändert...

Ich weiß von Labels schon, das da manchmal Anfragen für so Supportgeschichten für große Bands kommen. Da sind aber meistens die Konditionen so schlecht, dass man da auch sagt, das lässt man sich nicht gefallen. Klar, es ist eine tolle Möglichkeit und man muss das abwiegen. Aber man muss sich auch nicht ausbeuten lassen. Ich glaube auch, dass so wie du das auch angesprochen hast bei deiner Mehrkanal-Geschichte, dass man Frauen mehr motivieren muss, diesen Schritt wirklich zu machen und Konzerte zu spielen. Es bräuchte da so eine Eigendynamik oder bestimmte Personen, die die Leute reintheatern. Ich glaube schon, dass viele was machen. Aber der Schritt, aus dem, was man macht, ein 20-30 Minuten Set zu entwickeln, ist für viele schon groß.

Es ist natürlich so, dass ich in dem Fall keinen großen Unterschied zwischen Jungs und Mädchen bemerkt habe. Die waren genauso feig und zurückhaltend. Wir hätten für unser Projekt auch einfach aus einer Liste von 20 Bands auswählen können und dann hätten wir am Ende halt hauptsächlich Burschen gehabt. Es war für uns schon auch nicht leicht, zu sichten, was überhaupt vorhanden ist und wie kriegt jetzt ein gutes Programm mit einem hohen Frauenanteil zusammen. Es ging uns auch um die Auseinandersetzung. In einem wirtschaftlichen Rahmen, wird das natürlich ungemein schwieriger. Wie nimmst du eigentlich im Moment das Frauenbild in der populären Musik wahr? Bleiben wir regional in Österreich. Wie siehst du das?

In Österreich kann man schon sagen, dass die erfolgreichen Musikerinnen weiblich sind. Also bei den Leuten, die über die Grenzen von Österreich erfolgreich sind, da ist der Musikerinnenanteil extrem hoch. Die sind einfach am sichtbarsten. Das ist schon super.

Wer wären da Namen?

Die Gustav, Soap & Skin, die sehr erfolgreich. Dann gibts auch viele Singer/Songwriterinnen, von denen ich viele nicht so gut kenne. Aber zum Beispiel die Paper Bird und die Marilies Jagsch etc. Oder auch Dorit Crysler, Clara Luzia... es gibt echt viele, da muss man nicht lange nachdenken. Und die sind im Ausland vor allem super erfolgreich, die sind sichtbar. Aber man muss auch immer aufpassen und sich nicht darauf ausruhen. Das find ich auf jeden Fall schon mal gut. Aber wenn du mich jetzt spezifisch nach Linz fragst, da ist jetzt keine aus Linz dabei.

Es gibt bei uns Mono & Nikitaman, die sehr erfolgreich sind. Aber dann ist ziemlich aus.

Vielen Dank für das Interview!

Karin Fisslthaler auf SRA

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