Wann hast du das erste Mal bewusst Musik wahrgenommen?
Das ist eine schwierige Frage, vermutlich im Kindergarten mit Xylophongruppen und Blockflöte. Natürlich auch im Fernsehen. Ausserdem bin aufgewachsen in einem Haushalt wo es viel Musik gegeben hat - auf Schallplatten, Tapes, im Radio, und live auf der Gitarre vorgetragen von meinem Vater.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Im österreichischen Schulsystem macht man ab dem Kindergarten Musik, das gehört zur Grunderziehung dazu. Ein Grundinteresse war immer da durch meine Eltern, es hat ja immer Platten gegeben. Ich hab auch als Kind gerne Radio gehört und bei den Kassetten, die man sich als Kind anhört war auch Musik dabei. Eine weitere Station war das Autoradio, mein Vater hat da immer Mixtapes mit seinen Lieblingssongs gemacht. Manche Sachen hab ich gemocht, manche nicht und es war immer eine Sensation, wenn Sachen gekommen sind, die ich mochte. Kassetten überhaupt waren sowieso sehr wichtig zu der Zeit ebenso wie später im Gymnasium. In den Neunzigerjahren hatte ich eine polnische Freundin, die mir pirated tapes mitgebracht hat, meine ersten Guns n' Roses Kassetten und dergleichen, das war alles aus Polen. Damals gab's auch noch Musikfernsehen, muss man dazu sagen. MTV war da ein Thema, Sendungen wie Yo! MTV Raps und all diese Formate, die es heute so nicht mehr gibt im Fernsehen waren damals schon noch wichtig für mich. Und später wie's mit dem selber Produzieren interessanter worden is, war der FreundInnenkreis sehr wichtig, wo man sich gegenseitig Mixtapes gibt und Platten leiht und CDs tauscht. Platten kaufen waren ja in Linz kein so ein großes Thema, nachdem es lange keinen Plattenladen gegeben hat. Wie es diese Linzer Rave-Up-Filiale gab war ich noch zu klein: Ich war einmal drin und bin - als offensichtliches Kind - extrem unfreundlich behandelt worden, bin heim gegangen und habe mir geschworen, dass ich nie wieder in einen Plattenladen gehe. Wie ich groß genug gewesen wäre, dass mich Plattenläden interessiert hätten und ich dem Personal getrutzt hätte gab's leider keinen mehr. Das ist mir immer abgegangen. Ich bin auch oft als Jugendliche nach Wien gefahren mit zusammengespartem Oster-, Weihnachts- und Geburtstagsgeld und hab dann um unglaubliche zweitausend Schilling beim Sacro Egoismo Punkplatten gekauft.
Wurdest du von deinen Eltern für Musik begeistert?
Unabsichtlich, glaub ich. Mein Vater hört viel Musik vor allem im Auto und nachdem wir viel herum gefahren sind haben wir viel Musik gehört. Aber es hat mich nie wer gezwungen etwas zu machen und ich musste nie ein Instrument lernen.
Bist du gerne in den Musikunterricht gegangen?
Es war ganz ok, wir haben meistens gesungen. Der Lehrer hat Beatlesnummern und so Sachen wie "Everything I Do (I Do It For You)" von Bryan Adams am Klavier gespielt und wir haben dazu gesungen, einstimmig. Es war wie Turnunterricht mit Rock- und Popmusik, eher ein körperliches Workout für die Stimmbänder, aber gelernt hab ich dabei nichts Wesentliches über Musikmachen - außer vielleicht, und das ist ja auch nicht ganz unwichtig, wie man einen Ton hält. Als ich mich in der Oberstufe zwischen Zeichnen und Musik entscheiden musste, hab ich Zeichnen genommen, obwohl ich überhaupt nicht zeichnen kann - eine Entscheidung, die sicher auch der Tatsache geschuldet war, dass der Musiklehrer ob dieser Teilung beschlossen hat, auch Theorie zu machen. Mich hat das nicht interessiert, obwohl ich auch damals schon in Bands gespielt habe. Aber das hat sich eigentlich fast gegenseitig ausgeschlossen: sich mit Musik theoretisch oder gar in der Schule als Unterrichtsfach auseinanderzusetzen, und Musik selbst machen. Die Punk- und D.I.Y.-Einstellung war da in dem 1990ern extrem dogmatisch und ideologisch aufgeladen. Ich hätte mich damals nie hingesetzt und mich damit beschäftigt, was eine Terz oder sowas ist, das war fast verboten.
Hast du dir dein Instrument selbst ausgesucht?
Ich war ganz lange "nur" Sängerin. Ich habe schon Gitarre gelernt, so als Begleitinstrument, aber das war bei 'Spielmusik' im Gymnasium. Dort wurde einer beigebracht, wie man Akkorde spielt und dazu singt, so ganz folksy, was lustig war, aber nicht mehr. Wichtig war, wie mir irgendwer Power Chords beigebracht hat. Ich weiß bezeichnenderweise nicht mehr, wer das war, aber ab dann ist es losgegangen. Aber leider ist es dann Jahre lang ganz klassisch Mädchen-mäßig mit mir weitergegangen: Das mit dem Instrument ist eher daheim passiert, weil ich dachte ich könnte das nicht gscheit. Ich hab in einer hauptsächlich aus Burschen bestehenden Band gespielt zuerst, Anarchophobia, drei Burschen und ich als Sängerin - mir hätte wohl niemand verboten, ein Instrument zu spielen, aber es hat sich ganz automatisch und wie selbstverständlich ergeben, dass ich eben nur singe. Am Anfang habe ich bei ein paar Anarchophobia-Nummern noch Gitarre gespielt, auch live, aber irgendwann war das dann zu viel Aufwand - und außerdem hab ich mir fix eingebildet, dass ich das schlechter kann als der eigentliche Gitarrist. Irgendwann hab ich mir dann gedacht: OK, dann spiele ich halt nimmer, ist ja auch viel mehr Punk, wenn nur eine Gitarre dabei ist.
Eine Musikausbildung in dem Sinne hast du keine abgeschlossen?
Nein, keine. Aber daraus hat sich ein großer Stolz gespeist, weil das mit dieser dogmatischen Punkgeschichte zusammenpasste, die in den Neunzigern schon sehr wichtig war. Ebenso diese Doktrin der Authentizität, Inhalt über Form - das war ja eine politische Punkband in der ich gespielt hab, wo's auch um die Texte und das Umfeld ging und für eine gewisse Art von Politik steht. Da wären Sachen wie virtuoses Musikschulgeklimper vielleicht sogar dagegen gestanden in der damaligen Sicht auf die Dinge.
Wie hast du dein Instrument gefunden?
Das ist ein bisschen zu aktiv formuliert. Ich hätte mir nie aktiv ein Instrument ausgesucht, zumindest nicht in so einem frühen Stadium. Gesungen habe ich in der ersten Band, weil das der Platz war, der noch zu besetzen war und weil's das war, was am Einfachsten war und was ich mir zugetraut habe. Bass gespielt bei Sensual Love habe ich, weil mir das auch machbarbar vorgekommen ist, aber wie genau sich das ergeben hat, weiß ich gar nicht mehr. Später dann bei den Happy Kids hätte ich gerne Gitarre gespielt und hab's dann auch gemacht. Ich fühle mich aber auch keinem von diesen Instrumenten besonders verbunden, oder gar verpflichtet. Dadurch, dass ich die letzten fünfzehn Jahre lang nicht ein und denselben Platz in einer Band besetzt habe kann ich nicht behaupten ich wäre eine spezialisierte Instrumentalistin. Ich habe halt immer in Bands gespielt und was man dort machen hat müssen, hab ich gemacht. Und das war zuerst Singen, dann Bass spielen, dann Gitarre und jetzt bei Ana Threat mache ich halt alles: Samplen, Drums programmieren, Schlagzeug, auf der Orgel herumdrücken, Gitarre spielen, Vocals und Produzieren. Ich bediene keines dieser Dinge auf einem 'professionellen' Level, aber es macht mir Spass und reicht für das aus, wo ich mit meinen Produktionen hin will.
Ab wann hast du an Auftritte gedacht?
Ich war in einer Band, bevor ich über Auftritte nachdenken konnte. Der erste Auftritt war mit vierzehn im Jugendzentrum CT (Come Together) in der Lederergasse. Das wurde zu der Zeit gerade von anderen Leuten vom Verein Jugend und Freizeit übernommen, so linke Sozialarbeiter, und auf einmal war es ein cooler Platz für junge Punkies zum ganze Tage lang abhängen. Vorher war ich eher auf der Donaulände unterwegs, aber im CT konnte man halt auftreten, es gab eine Disco mit Schwarzlicht und einer Bühne, und wir haben damals relativ schnell das beste aus der Infrastruktur gemacht, und sind gleich aufgetreten mit Anarchophobia. Was total aufregend war damals. Ich habe dieses Jahr also mein zwanzigjähriges Bühnenjubiläum. Hätte ich mir mit vierzehn sicher nicht gedacht, dass ich das so lange durchziehe.
Welches Instrument spielst du solo/welche mit Band?
Ich bediene da keine fixe Palette. Grundsätzlich spiele ich viel Gitarre. Wenn mich aber ein Instrument anspricht, dan klimper ich darauf halt herum. Ich "spiele" ja auch Zither oder Lapsteel für meine Nummern und nehm damit Tracks auf. Wenn mich was interessiert, greif ich es an. Auf der neuen Ep spiele ich zum Beispiel Blockflöte und Schlagzeug und drei verschiedene Orgeln. Mir geht es schon auch sehr darum, wie diese Instrumente klingen - der Sound ist total wichtig. Wenn es reinpasst in mein musikalisches Universum, dann ist es kooptiert. Mit einem oder zwei Finger hab ich noch aus jedem Instrument was rausgebracht und für meine Songs reicht das auch oft. Prägend für das Projekt Ana Threat war aber sicher die FR-3 Drumbox von Ace Tone - ein Preset-Kastel, wo man einzelne Percussion-Elemente weg und dazudrehen und Beats kombinieren kann, und die spielt dann, zum Beispiel, Mambo und Cha-Cha mit extra Bass. Das war extrem wichtig für mich, so etwas zu haben. Was ich oft auch selbst unterschätze als Instrument ist meine Plattensammlung. Ich hab viele Drum- und Percussionplatten und Exotica-Sachen und Library-Sachen, oft ganz cheesy wie "Sounds of Tahiti"oder so. Da kann man erstens super Dinge samplen und das Zweite ist, dass man sich super Rhythmen aneignen kann, und ein ganz spezielles Gefühl für Textur und Färbung von einzelnen Sounds und Aufnahmen entwickelt. Das Ohr, das ich mir durch meine Plattensammlung angeeignet hab, würde ich, was meine Skills betrifft, als wichtiger einschätzen als meine Fingerfertigkeit, das heisst, als das, was ich an Soli oder Akkorden spielen kann. Ein Gespür für Sound hat sich über das obsessive Flohmarkt-Plattensammeln entwickelt, und das ist wohl das Wichtigste bei meinen derzeitigen Projekten.
Wie kam's zum Soloprojekt?
Es klingt vorhersehbar, aber Solo ist halt die ultimative Selbstbeweihräucherung. Man kann halt machen, was man will, ohne sich mit wem anderen absprechen zu müssen. Es ist nicht ganz so leicht als junges Mädchen in Bands zu spielen, oder war es zumindest nicht in den Neunzigern. Ich hab mich oft nicht ganz getraut, den musikalischen Prozess sehr stark zu beeinflussen, weil ich grad als Vokalistin das Gefühl gehabt habe, ich hätte nichts zu sagen, wie die Mucke klingen soll, weil ich nicht mal ein Instrument spiele. Solo ist es halt leicht, dahingehend Versäumtes nachzuholen, wenn man so will. Es ist vom Organisatorischen her so viel leichter - vor allem wenn man viel zu tun hat - alleine in den Proberaum zu gehen und Sachen sind fertig, wenn man sie fertig haben will, man hat keinen Rechtfertigungsdruck und es ist eine Herausforderung - vor allem wenn man in Bands sozialisiert worden ist: Wie bringt man ein Soloprojekt auf die Bühne, ohne dass es fad wird, ohne dass es dünn klingt, ohne dass man das macht was alle machen, und zB eine Loopstation verwendet. Wie bringt man das Knochengerüst einer Musikmacheinheit - sich selbst mit den zwei Armen und zwei Beinen, die nicht alles gleichzeitg spielen können - cool auf die Bühne? Gott sei Dank operiere ich da nicht im luftleeren Raum: in der Garagenpunkszene zum Beispiel hat sich One-Man-Band oder No-Man-Band ja inzwischen als Genre fix etabliert. Die Frage, die sich mir da gestellt hat, war wie man aus dem was Neues machen kann. Oft sind das ja Typen die mit einem halben Schlagzeug und einer Gitarre dasitzen und dann Blues machen - was total super ist, wenn es Leute der Reverend Beat-Man oder Dead Elvis oder Becky Lee and Drunkfoot oder Trixie Trainwreck sind - das ist schon okay, aber es ist halt sehr einschlägig und mit Ana Threat hat mich halt was anderes interessiert. Mit Rhytmusbox und extrem reduziert gespielter Twang-Gitarre, wo ich halt mit nur einem Finger Riffs mache und trotzdem extrem daran interessiert bin, dass es nicht fad wird. Teilweise drängt es mich da auch schon in eine performative Ecke - Ana Threat ist also nicht nur eine Band, die halt jetzt Musik spielt auf der Bühne, sondern auch ein Act, der sich verkleidet, eine Show macht, Konfettikanonen hochgehen lässt und so Zinnober. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass ich mit dem jetzigen Akt das Bedürfnis habe, mich von den Authentizitätsansprüchen zu emazipieren, die in den Neunzigern und frühen Zweitausendern an Bands gestellt wurden. Man geht in Alltagskleidung auf die Bühne und ist auf der Bühne sowie abseits immer gleich und so ist man halt. - fad!
Gibt es lose Kooperationen mit anderen Künstlern/Künstlerinnen?
Ich habe schon als Jugendliche immer schon viel auf Platten anderer Bands und Acts mitgesungen, vor allem aus dem Linzer Punk- und Hardcore Kontext. Es gibt zum Beispiel einen Track mit mir auf einer Deadzibel-Platte und einer Platte von Egotrip. Bei High Speed Lady Die bin ich auch für ein paar Konzerte als Vertretung für deren Sänger Tim Boykett eingesprungen, als der in Australien war. Das war vor allem in Linz einfach ganz normal. Jetzt ist es eher so, dass man gleich mal schnell eine Band macht, wenn man musikalisch aneinander interessiert ist - manchmal auch nur für ein, zwei Auftritte oder Aufnahmen. Das ist zwar mehr Aufwand, aber macht mir aber mehr Spass.
Komponierst du und textest du?
Also ich mache bei Ana Threat alles selber. Ob ich's "Komponieren" und "Texten" nennen würde ist eine andere Frage. Ich arbeite sehr viel mit Collagen wenn man so will, nehme Sachen, die es schon gibt, und stückel die zusammen. Gegen "Texten" bin ich ein bisschen allergisch, das gefällt mir grad nicht so einen Text zu schreiben und eine Message oder eine Bedutung dazuhängen, da krieg ich ein komisches Gefühl und das schränkt mich zu sehr ein. Es ist mir lieber, ich nehme eine R'n'B-Platte aus den Vierzigern, nehme die markanteste Zeile raus und wiederhole die, bis ich mich anspeib’. Also eher so was Oratorisches als was Poetisches.
Hast du nach einem eigenen Sound gesucht?
Ja, der Sound ist wichtig. Vom Mythos des 'eigenen Sounds' habe ich mich allerdings verabschiedet: Simon Reynolds würde wohl sagen, Ana Threat ist Retromanikerin. Ich weiß genau, wie es klingen soll, und was ich gerne hätte, hänge mich aber oft an konkrete VorgängerInnen. Man kann's Hauntologie nennen wenn man will, weil ich mich so stark an die Vorgaben aus meiner Plattensammlung anhalte.
Also eine Art Kanon aus Platten und in den soll es irgendwie fallen?
Naja, also ich bin jetzt keine The-Band ,die klingen will wie die MC5, und alles dran legt so, um jeden Preis einen möglichst 'authentischen' Sixties-Sound zu emulieren. Es geht eher in die Richtung, dass ich eine sehr spezielle Soundästhetik haben will, die sich aber nicht nur an eine einzige Dekade oder Musikrichtung hängt. Ich bin als Ana Threat auch extrem beeinflusst von Film oder Videoarbeiten, dieses Audio/Visual-Ding, wo es ästhetische Elemente gibt, die sich für mich verbinden lassen. Durchaus auch auf einer affektiven, ganz viszeralen Ebene, die ich nicht mit meinem Hirn prozessieren kann, sondern einfach im Bauch weiß, das passt zusammen. 'Be My Baby' von den Ronnettes gemeinsam gedacht mit Dirty Dancing, um ein populäres Beispiel zu nennen. Oder das Gedröhne der Motorräder gemeinsam mit den unglaublichen Filzkostümen der Man-Eaters, der Mädchen-Motorcycle Gang, in Herschell Gordon Lewis' She-Devils on Wheels. Das ist halt eine Art vom Sound, durchaus auch ein cinematisch aufgeladener Sound, dem ich im Proberaum nachlaufe. Natürlich kann man den ein bisschen beschreiben: Ein Sound, der viel Raum hat, viel Treble, viel Reverb, echodurchtränkt, alles ein bisschen distanziert, nicht so nah und intim, in dem Sinne dass man eine Stimme reproduzieren will, dass sie genauso klingt wie sie aus dem Kehlkopf rauskommt - sondern eher, dass man die dann durch tausend Stompboxes oder Verstärker durchschickt und die Verstärker miteinander rückkoppelt, und es pfeift und dröhnt. Insofern gibt es schon einen Sound, von dem ich das Gefühl hab, das ist 'meiner', ich bin mir dabei aber auch bewusst, dass ich den nicht alleine geschaffen oder ausgedacht habe.
Hast du schon Tonträger veröffentlicht und wenn ja Eigenverlag/Label?
Mein allererster Tonträger kam im Eigenverlag heraus: die Anarchophobia EP und die nachfolgende 12" ebenso. Mit Sensual Love kamen dann in den frühen Zweitausendern die Labels ins Spiel: auf eine CD, die wir selbst releast haben, folgte eine Split-CD mit Bug auf Interstellar und eine EP auf Invertebrata. Was damals super funktioniert hat war die Vernetzung der einzelnen Positionen - Musiker und Musikerinnen, Booker, Labelleute, Leute, die Veranstaltungen gemacht haben. Es ist zum Beispiel erstaunlich, wie leicht es in den frühen Zweitausendern war, auf Tour zu fahren, wie leicht es war, einen Tonträger zu machen, ohne selbst zahlen zu müssen. Mit den Happy Kids sind wir dann einen anderen Weg gegangen: die erste Happy Kids EP ist auf Trash Rock Productions rausgekommen - auf dem Label, das Al Bird Dirt und ich gemeinsam betreiben für unsere eigenen Veröffentlichungen. Da ist es um was anderes gegangen als um den 'Szenegedanken' der 90er und frühen 2000er: nämlich um die Idee, dass man alles selber macht und auf niemanden angewiesen ist. Die Happy Kids 12" hat ein holländisches Label gemacht. Die Ana Threat Sachen habe ich auch selbst rausgebracht, weil das logistisch am Einfachsten war, und ich zusätzlich sehr auf die Illusion stehe, ich hätte alles unter Kontrolle, und alles gehört ausschließlich mir selbst. Die nächste EP, die im Herbst rauskommen wird, wird eine Kooperation zwischen Trash Rock und Totally Wired Records, was für mich die aufregendste Entwicklung ist im Bezug auf Labels in Wien zur Zeit. Ich bin total heiß auf das Label und die Leute. Ich freu mich schon sehr drauf.
Wie oft spielst du live?
Im Moment nicht so wahnsinnig viel. Mit den Happy Kids hat es ein oder zwei Jahre gegeben, wo wir fast jede Woche irgendwo gespielt haben, was anstrengend war. Mit Ana Threat spiele ich so im Drei-Monats-Abstand. Ich habe aber auch eine andere Schiene für mich entwickelt aufzutreten: Ana Threat's Exploitation Ballroom. Das ist im Grunde Plattenauflegen mit exaltierter Performance, und es bordert ein wenig an Burlesque und Messerwerfen und Wunderheilung, also bisschen eine Zirkusshow. Damit hab ich dann auch jeden Monat bis alle zwei Monate Auftritte.
Wie wirst du als Frau von den Veranstaltern behandelt?
Das kann ich nicht pauschal beantworten, die Frage ist zu allgemein formuliert. Ich hab mich von Anfang an in einem Umfeld bewegt, in dem Antisexismus, zumindest auf einer rhetorischen Ebene, zum guten Ton gehört. Zumindest auf einer rhetorischen Ebene war immer eine Gleichstellung impliziert, und man konnte sich auch immer bei irgendjemandem beschweren, wenn was nicht gepasst hat. Wie das strukturell ausgesehen hat, ist dann natürlich eine andere Frage. Ich hatte zumindest immer einen gewissen Exotinnenstatus als Mädchen in der Punk/Noiseband. Das ist auch gegenwärtig noch manchmal zu beobachten.
Es ist zum Beispiel immer wieder mal die große Überraschung, wenn in einer Band mit Orgel und Gitarre das Mädel nicht Orgel spielt.
Wie wirst du vom Publikum behandelt?
Das ist auch wieder nicht so zu pauschalisieren, weil ich auch hier schon alles Mögliche erlebt habe. Mit Ana Threat habe ich den Vorteil, dass diese Bühnenfigur sehr offensiv und vielleicht sogar furchteinflößend, aber auch lustig ist. Da kann ich auch sehr gut mit Sachen umgehen, die ich eigentlich problematisch finde. Es passiert schon immer wieder, dass Leute glauben, sie können hergreifen. Das liegt vielleicht auch daran, dass Ana Threat keine großen Berührungsängste dem Publikum gegenüber hat. Größtenteils ist es eh super. Das schlimmste, was ein Publikum tun kann, ist, wenn sie dastehen und blöd schauen und ihnen fad ist.
Hat sich seit Karrierebeginn etwas verbessert?
Schwierig zu sagen. Ob sich strukturell etwas verändert hat, kann ich nicht sagen. Ich bewege mich nach wie vor in einem Umfeld, wo blöde sexistische Sachen eigentlich nicht regelmäßig vorkommen - und wenn sie vorkommen, hat man Back-Up aus dem Publikum oder von Veranstaltern oder Veranstalterinnen. Das funktioniert eigentlich immer ganz gut, aber das hängt wohl mit den Orten an sich zusammen. Ich mein, mir fällt schon auf, wenn ich mit dem Ana Threat Solo-Act an unüblicheren Orten spiele, dass es öfter vorkommt, dass ich von irgendwelchen lieben Onkeln nachher paternalistische Tipps bekomme, was ich alles besser machen oder nachlernen könnte. Das ärgert mich schon. Aber das Umfeld ist schon sehr gut, Wien ist grundsätzlich grad ein Riesenspaß zum Spielen. Nachdem ich sehr derzeit viel lokal spiele und weniger rausfahre fällt es mir aber schwer zu beurteilen, was sich abseits der kleinen lokalen Zusammenhänge getan oder entwickelt hat.
Was hat dich an Bands angezogen?
Das Attraktivste war, dass man selber Musik machen kann als Erstes. Auch das Auftreten war sehr attraktiv. Und es war Ende der Neunziger auch wichtig für mich, ein Umfeld mitzugestalten zu können, und selber was machen. D.I.Y. war ein Riesending damals, also nicht nur rumsitzen und konsumieren, CDs beim Libro kaufen und MTV schauen, sondern selber was auf die Füße stellen. Was mich am meisten interessiert hat war Musik zu machen. Das war das attraktivste daran, in einer Band zu sein. Als Jugendliche ist es eben leichter, in einer Band gemeinsam was zu machen, als ganz alleine. Mich komplett selbst zu organisieren als Musikact ging dann leichter, wenn man ein bisschen erwachsener ist.
Ab wann wolltest du in einer Band sein?
Ich war in einer Band bevor, ich überhaupt darüber nachdenken konnte. Das war in Linz damals so, es war leicht jemanden kennenzulernen mit den Jugendzentren, die es gegeben hat. Wichtig war, dass es Möglichkeiten gegeben hat zu proben.
Hast du die Band damals mitbegründet?
Ja, Anarchophobia habe ich mitbegründet.
Durftest du da am Bandkonzept und dem Bandsound mitarbeiten?
Wir haben alles gemeinsam gemacht. Allerdings ist es selbstverständlich leichter für die Leute, die die Instrumente spielen, die Nummern machen und den Sound festzulegen.
Ich weiß, das kann in anderen Bands anders laufen, aber ich hab halt damals hauptsächlich zu von den anderen gestalteten Tracks dazugesungen. Bei Sensual Love hatte ich dann schon wesentlich mehr mit dem Sound zu tun, so am Bass. Bei den Happy Kids gestalten wir alles nach wie vor alles komplett gemeinsam. Vorbild-50/50.
Wie oft spielt ihr mit den Happy Kids live?
Die Happy Kids liegen zur Zeit auf Eis, das hängt mit der nichtmusikalischen Arbeit zusammen, die zur Zeit rbeiden Bandmitgliedern echt viel Zeit abverlangt. Ein zweites Album ist geplant für Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres, aber live spielen wir grad gar nicht.
Warum bist du aus Oberösterreich abgewandert?
Ich wollte einfach mal was anderes sehen, das hat mit dem Standort Oberösterreich weniger zu tun. Ich habe zwischen Linz und Wien ja auch vier Jahre in China und Taiwan verbracht, einfach, weil ich Lust auf etwas anderes hatte. Inzwischen sehe ich einen großen Unterschied zwischen Wien und Linz: Wien ist für mich attraktiver, da es einfach viel mehr Orte gibt, wo man spielen kann, mehr Leute, mit denen man kooperieren kann. Linz hat halt sehr gut funktioniert als Musiksozialisationstadt mit der großen Punk- und Hardcoretradition und den coolen Hip-Hop-Bands, mit der Kapu als Institution - das war schon super, da aufzuwachsen. Es war keine Überforderung, man hat seine drei, vier Plätze gekannt, konnte sich sehr schnell vernetzen und war schnell in einer Position, was selbst zu gestalten. Meine Übersiedlung hat sich sicher auch daraus ergeben, dass Sensual Love halb in Wien, halb in Linz ansässig waren und wir in Wien geprobt und sehr viel gespielt haben. Es gibt allerdings auch nach wie vor in Linz Initiativen, die ich sehr schätze, zum Beispiel Qjochö, eine Intitiative, der ich nachwievor sehr nahe stehe und von der ich letztens lustigerweise auch als Tonkünstlerin kommissioniert wurde für eine Installation bei für die Ausstellug 'Architektur und Klang' im Architekturforum Oberösterreich. Schade an Linz ist, dass es klarerweise weniger Sachen gibt - und wenn eine Sache wackelt oder gefährdet ist, dass es eine ganze Szene bedroht, wie aktuell die Situation vom Rothen Krebs, die vom Vermieter mit dem Rauswurf bedroht werden. Wenn das so wäre, wäre es wahnsinnig traurig für den Standort Linz. Es gibt in Wien zwar auch solche Knotenpunkte, die unbedingt notwendig sind, aber Wien fluktuiert mehr. In Linz treffen sich an einzelnen Orten auch viel mehr Szenen, kommt mir vor. Wenn ich in Wien aufgewachsen wäre, weiß ich nicht, ob ich so viel von Hip-Hop mitbekommen hätte, weil es nie mein vorangiges Interesse war, und man sich szenenmäßig auch sehr gut aus dem Weg gehen kann. In Linz habe ich jahrelang in der Druzba, der Kapu-Bar gekellnert, und habe dabei Einblicke bekommen, die man nicht kriegt, wenn man immer nur in szeneeinschlägige Wiener Bars geht. Dadurch, dass das Angebot in Wien so groß ist, kann man sich eiegntlich immer Sachen aussuchen ,von denen man schon weiß, dass man sie mag. In Linz ist das gar nicht möglich gewesen. Wenn man da am Samstag oder Freitag fortgehen will, muss man in eines der drei Lokale gehen und nehmen, was dort ist. Das ist schon okay gewesen. Ich bin froh, dass es jetzt anders ist - aber es ist für eine musikalische Sozialisation nicht das Schlechteste gewesen.
Wie bist du speziell auf diesen Exotica/Trash/Garage-"Zug" gekommen? Es ist ja doch ein wenig ein Sprung von Punk und Noiserock dorthin?
Da gibt's zwei Antworten drauf. Einerseits macht man immer das, was grad passiert. Anarchopunk war Ende der Neunziger in Linz in dieser Jugendzentrumsszene von 14- bis 18-jährigen Kindern eine wichtige Geschichte, in die man sich einhaken konnte. Insofern war es irgendwie klar, dass man diese Musik macht. Noiserock hatte in den Zweitausendern eine ähnliche Konjunktur bei Jungzwanzigern/innen. Das war ein aufregendes Umfeld, da ist viel passiert, da waren Festivals und super Bands die getourt haben, es hat mich zu dem Zeitpunkt sehr angesprochen. Die zweite Antwort ist, dass diese Exotica/Garagen/Trash-Geschichte immer eine heimliche Liebe von mir war. Darauf gekommen bin ich über Crypt Records aus Hamburg, ein Geschäft, Versand und Label, die diese Garagen-Rock'n'Roll-Sachen kompilieren, "Back from the Grave" und so weiter. Ich bin auf Surfmusik abgefahren als Teenager, da bin ich ganz klassisch über Beach Boys und Jan & Dean darauf gestossen. Und ein älterer Freund von mir aus Linz hat mir dann mal einen Crypt-Katalog in die Hand gedrückt. Ich hab dann mit 17 zum Bestellen angefangen und Sampler bestellt wie "Teenage Shutdown" und solche Sachen. Das hat mich extrem beeindruckt, und da hat die Obsession mit dem Sound angefangen. Mir war klar, da war ein Riesenunterschied zwischen Beach Boys und Jan & Dean und einer Teenager-Garagenpunkband, die sich in einen Proberaum mit einem Vox-Verstärker stellt, mit einem Vierspurgerät aufnimmt und dann eine räudige Yukkum Yukkum Version auf eine Platte presst. Zweiteres hat mich so ergriffen, dass mich das bis heute durchgehend begleitet. Lange Zeit hat das leider nichts mit der Musik, die ich selbst gemacht habe, zu tun gehabt, das war so eine heimliche Obsession. In der Zusammenarbeit mit Al Bird Dirt wurde die heimliche Obsession dann zu einem offiziellen Arbeitsauftrag.Jetzt rennt das grad sehr gut.
Vielen Dank für das Interview!